Erste Schritte als DM: NPCs vorbereiten – Teil 2: Wie erfinde ich einen NPC?

Im letzten Beitrag habe ich veranschaulicht wie ich NPCs am Papier organisiere.

Dieser Beitrag befasst sich mit der Ideenfindung zu einem neuen NPC

Eine Welt ist nur dann lebendig, wenn sie mit möglichst vielen Personen und Geschichten gefüllt ist. In Pen & Paper Spielen können NPCs mit der Gruppe interagieren, mit ihnen Sprechen, ihnen Gegenstände geben oder auf jede andere Art einen Schnittpunkt zwischen der Geschichte und den Spielern bilden.

Und genau darum geht es.

NPCs sind interaktive Schnittstellen zwischen der Geschichte und den Spielern.

NPCs zu erschaffen macht Spaß, weil wir unserer Fantasie freien Lauf lassen können. Wenn ich euch aber nun sage, dass ABSOLUT JEDE Kreatur auf die eure Gruppe trifft vorher eine Backgroundstory, Motive, geheime Agenden und was weiß ich was noch benötigt, dann packt euch wahrscheinlich das blanke Grauen vor der damit verbundenen Arbeit. Mir geht es genauso.

Ein kleines Dorf alleine besteht zumindest nach D&D Definition (Dungeon Master Guide) aus 500 Personen die in diesem Dorf wohnen. Keiner, der noch halbwegs bei Verstand ist will 500 NPCs erschaffen.

Was wir also machen ist, wir befüllen das Dorf mit generischen Statisten und ein paar wenigen NPCs die auch tatsächlich einen Text in unserem Stück haben.


Lernt aus meinen Fehlern!
Einen Fehler den ich zu Beginn gemacht habe, will ich euch gleich ersparen:

In diversen Blogs und Foren habe ich über die 10 besten Wege gelesen, wie man eine Welt erschafft:

Man beginnt mit dem Dorf, das füllt man mit Statisten, dann kommen ein paar NPCs, dann kommt das Umland und dann irgendwann kommt ein Turm, der Schätze beinhaltet und eine Story hat. Ihr versteht was ich meine…erst irgendwann unterwegs kommen dann die NPCs dazu und noch viel später macht man sich dann Gedanken über Quests.

Aber das hat sich für mich persönlich als extrem uninuitiv herausgestellt.
Das Resultat war, dass ich völlig blockiert war. Ich wusste nicht wie ich anfangen sollte.

Meistens weiß ich noch gar nicht ob es ein Dorf, oder eine Stadt, oder eine Festung gibt. Was ich aber immer sofort weiß sind Quests, wie einen Turm, den die Gruppe Stück für Stück zuerst erobert und dann niederbrennt.

Ich habe schließlich zu mir gesagt: Mach einfach eine Liste an coolen Quests und sammle sie einfach mal. Wenn Du die Quests hast, dann schau wie es weiter geht.

Ich habe also zuerst die Idee:

„Oh Mann, ein brennender Turm mit Etagen wäre cool“.

und nicht

„Oh mann ein Dorf mit einem Schmied führt zu einem Sumpf wo dann …bla bla bla..“

Im Grunde lässt sich mein Gedankengang wir folgt herunterbrechen:

  1. Ich will dass die Gruppe einen Turm niederbrennt.
    Warum? Einfach weil ich in einem Buch, das ich gerade gelesen hatte so eine Passage gefunden hatte und mir gedacht habe – cool, das will ich mal verwenden.
  2. Also Bedarf es eines Grundes. (Meistens…)
    Der Grund könnte sein, dass der Turm ein Machtsymbol ist und es zu einer Verschiebung ebenjener kommen könnte, wenn er nicht mehr steht.
  3. Irgendjemand muss der Gruppe davon erzählen.
  4. Tadaa: Ein NPC wird benötigt.

Natürlich passiert da eigentlich mehr in den Vorbereitungen:

  • Der Turm gehört jemanden (noch ein NPC).
  • Der Turm steht irgendwo (Map)
  • Es gibt Fraktionen, oder Interessensgruppen (Statisten & NPCs)
  • und so weiter und so fort.

Aber um hier anschaulich zu bleiben belassen wir es dabei, dass die Gruppe irgendwie von dem Turm erfahren muss. Es bedarf also eines Nicht-Spieler-Charakters, der unterwegs auf die Gruppe treffen sollte um ihnen von dem Turm zu erzählen.


Aktionskarte „Brennender Turm“

Betrachtet NPCs weniger als „lebende Wesen“ mit einem Tagesablauf („Um 14:30 geht mein NPC immer aufs Klo“) und mehr als Aktionskarten, die ihr vorbereitet habt und jederzeit ausspielen könnt.


Jetzt wo wir wissen, dass es einer Aktionskarte bedarf um die Gruppe zum Turm zu bringen, können wir anfangen sie auszuschmücken.

Die vier Ws

Um einen NPC zu erstellen bediene ich mich der vier Grundfragen: Wer, Wo, Wie und Warum. Aber wie ich euch gleich zeigen werde sind für mich nur zwei dieser Fragen wirklich entscheidend: WARUM und WIE.

Warum

In World of Warcraft würde ich das Warum einfach wegklicken.
Du hast eine Quest für mich?
Cool.
Was!? – warte mal, Du willst mir jetzt davon erzählen WARUM ich 15 Hühner ermorden soll?
Vergiss es!
Klick.
Quest angenommen.

Aber in Pen & Paper Spielen benötigt die Gruppe meist mehr Background-Info um sich vorzubereiten. Um sich sicher zu fühlen. Um zu wissen was sie erwarten wird und sich entsprechend darauf einzustellen.

Also muss ich meinem NPC eine Background-Story geben, damit die Gruppe durch seine Geschichte mehr über den Turm lernen kann.


Was wissen wir bisher?

Es gibt einen Turm und der sadistische DM will ihn am Ende brennen sehen. Also muss es einen Grund geben, dass er am Ende brennt. Gut.
Vielleicht will DER NPC ihn brennen sehen. Also warum könnte das sein?
Weil ein Turm Macht darstellt (Sigmund Freud lässt grüßen) und ein brennender Turm (..Ferkel..) sorgt für eine Verschiebung der Macht.

Meine Intuition sagte: Junger Adliger. Warum? Keine Ahnung. Ist einfach passiert. Mein Hirn hat gesagt, Turm > Machtverschiebung > Es ist ein junger Adliger.

Wir haben also einen jungen Adligen. Klischee hin oder her, junge Adlige neigen zu überzogenen Handlungen, wenn a) es um Herzensangelegenheiten geht b) ihr Stolz verletzt wurde. Also geben wir dem jungen Adligen einen Grund zur überzogenen Handlung.

Es soll zu einer Machtverschiebung kommen, wenn der Turm brennt? Gut. damit lässt sich arbeiten. Der junge Adlige kommt aus einem alten Herrscherhaus, das von dem bösen Turmbesitzer entmachtet wurde. Nun will der junge Adlige seine standesgemäßen Rechte wieder. Seine Lösung: Der Turm muss brennen.

Ich denke es ist klar wie es weiter gehen würde: Ich würde mir einen Namen für das Herrscherhaus ausdenken, einen Namen für den bösen Turmbesitzer und einen Grund warum ein brennender Turm die Lösung aller Probleme sein könnte. Aber das geht hier zu weit. Hier geht es darum dem jungen Adligen ein Gesicht zu geben.


Wie

Als nächstes kommt bei mir das „Wie“.
Damit meine ich – WIE steht der NPC zur Gruppe?
Ist er offen feindlich oder freundlich, spielt er ein doppeltes Spiel, etc.

Mein Gefühl (anscheinend habe ich etwas gegen junge Adlige) sagte: Er spielt ein doppeltes Spiel. Er will die Gruppe missbrauchen um seine eigenen Ziele zu verwirklichen, aber er ist bereit die Gruppe dafür jederzeit zu opfern.

Super! Unser junger Adliger nimmt langsam Formen an.
Wir können bereits Ambitionen, Wünsche und Ängste definieren:

Wenn ihr den letzten Beitrag gelesen habt, dann wisst ihr bereits wie ich diese Motive organisiere:

Ambitionen

Ich will derjenige sein, der den Turm der Stürme niederbrennt.

Eines Tages bin ich der mächtigste Herrscher dieser Baronie
Wünsche

Anerkennung

Nehmt mich ernst!

Macht
Ängste

Dass mein Haus fällt und ich es nicht rechtzeitig verhindert habe.

Ich fürchte [BÖSEN TURMMANN]
Triebe

 


Wer

Um ehrlich zu sein, das WER ist in meinem Kopf schon während dem WIE passiert. Grundsätzlich helfen aber folgende Fragen:

Männlich, weiblich?
Sohn, Vater Mutter, Tochter?
Alt, jung?
D&D Rasse, Aussehen, etc.?
Alignement?
Klasse?

Es ist völlig egal was ihr da wählt. Es muss in eure Welt passen, glaubhaft sein und es sollte interessant genug sein, dass die Gruppe darauf anspringt.

Bei mir war es:

Junger Adliger (etwa 16), männlich, Sohn eines verarmten Herrscherhauses, Mensch, schwächlich, aber ambitioniert.

Dem NPC eine Klasse geben.
Sollte euer NPC unerwartet in einen Kampf verwickelt werden, so solltet ihr wissen, wie seine Stats sind. Daher solltet ihr ihn mithilfe von Vorlagen aus dem Monster Manual „erstellen“.

Aus dem Teil: „schwächlich, aber ambitioniert“ habe ich dann abgeleitet, dass er wohl kein Kämpfer sondern ein Magier ist.

Und schon können wir ihn auch per Stat-Block definieren:
Wir nehmen „Noble“ aus dem Monster Manual, und peppen ihn mit ein paar Zaubern der „Wizard-Klasse“ auf. An dieser Stelle sei gesagt: Hier bin ich noch ziemlich neu im Geschäft – man entschuldige wenn ich hier noch Fehler mache!

Noch während ich die Stats zusammenfasse habe ich auch schon ein Bild von dem Jüngelchen vor Augen: Er soll eine Mischung als Emo-Teenager und Geoffrey aus Game of Thrones sein.

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Mein Kopf hat dann noch geschrien: „Oligarchen, Oligarchen!“ und schon war Andrej Sergjenkov der kleine Game of Thrones Rotzlümmel mit russischem Zungenschlag geboren.


Andrej Sergjenkov 6 2.300 XP
Medium humanoid (human), Neutral Evil
AC 12 (15) mage armor HP 40 Speed 30
STR DEX CON INT WIS CHA
9 (-1) 14(+2) 11 (+0) 17(+3) 12(+1) 11(+0)
Saving throws Int +6, Wis +4
Ressictance
Skills Arcana +6, History +4
Sense passive Perception 11
Language Common, Elven, Infernal
Action Dagger Melee Weapon Attack: +5 to hit, reach 5 ft., one target.

Hit: 1d4 + 2 (p) / Throw 20/60

Spellcasting


Zauber/Skills/Feats
Jetzt noch ein paar passende Spells dazu suchen und schon ist das Meiste getan:

Für seine Zauber habe ich mich gefragt, wie er wohl tickt. Er ist ein hinterhältiger kleiner Scheißer, also hat er auch die enstprechenden Spells vorbereitet.

C Fire Bolt, Light, Mage Hand, Prestidigitation
1st O O O O detect magic, mage armor (always),magic missile, shield
2nd O O O misty step, suggestion
3rd O O O counterspell, fireball, fly
4th O O O greater invisibility, ice storm
5th O cone of cold

Zu sagen ist noch: Ich plane nicht, dass er die Gruppe angreift. Er soll sie überzeugen, dass sie ihm hilft, immerhin sucht er Verbündete. Aber ihr kennt meine Gruppen nicht – also bin ich besser vorbereitet.


Wo

Für mich ist das „Wo“ ziemlich unbedeutend und kommt daher ganz zum Schluss.

Der Trick ist nicht zu fragen „Wo hält sich der NPC auf?“ sondern sich zu Fragen wo sich die GRUPPE aller Wahrscheinlichkeit aufhalten wird. (Taverne, Kirche, Bibliothek, Händler, etc.)

Dass sich der NPC dann auch tatsächlich dort aufhalten wird, wo die Gruppe schließlich hingeht ist einfach: Er ist einfach da. Ihr seid der DM.

Für zusätzlichen Flavor sorgt ihr natürlich, wenn ihr euch überlegt WARUM er gerade dort ist, aber es ist ehrlich gesagt NICHT WICHTIG.

Natürlich habe ich mir dennoch brav überlegt, wo er anzutreffen sein wird, wenn die Gruppe sich ausnahmsweise so verhält, wie ich es gehofft hatte:

Story Hook
Hält sich tagsüber in der Bibliothek auf, Abends isst er in der Taverne. er schläft in dem verlassenen Haus am Stadtrand (E14). Will Organz den Beschwörer schwächen und Turm der Stürme niederbrennen. War aber erfolglos. Wurde gestellt und musste fliehen. Hofft auf Verbündete, die er für sich gewinnen kann.

Klingt super, ist aber problematisch:
Ich erschaffe brav, nach Vorgabe der Guides und Blogs zuerst ein Dorf. Dort drinnen sitzt mein NPC um 14:30 wie jeden Tag am Klo und liest die Sandspitzer Allgemeine, die er sich gerade aus der Bibliothek geliehen hat.

Tja Pech für mich: Die Gruppe geht an dem Dorf, das ich stundenlang vorbereitet habt einfach vorbei, weil sie „nicht schon wieder so ein Dorf voller Verrückter“ sehen wollen.

Also sind meine DM-Skills gefragt: Auf der Straße kommt ihnen ein einsamer Reisender entgegen. (Mhhmmm wer könnte das wohl sein?)

Die Gruppe ignoriert aber auch den einsamen Reisenden. Mist. Egal – aus dem Reisenden wurde zwar nicht mein NPC sondern dank der ignoranten Gruppe nur ein Statist, aber ich bin noch nicht fertig mit ihnen. Also weiter:

An der nächsten Kreuzung liegt ein Karren in Dreck und ein junger Adeliger steht davor und versucht ihn wieder auf die Straße zu schieben.

Die Gruppe spricht ihn an. Und zack! Ich zücke meine Aktionskarte „Brennender Turm“ alias mein NPC und schon erzählt er ihnen von dem Turm.

Wäre der NPC fest in das Dorf hineingeschrieben, würde es mir sehr viel schwerer fallen an dieser Stelle zu improvisieren. Aber da der NPC als Aktionskarte für den Turm vorbereitet wurde, kann ich ihn leichter zücken und ins Spiel werfen.

Hier ist er übrigens fertig ausgearbeitet:

vorlage